Samstag, 31. Dezember 2011

Tag 12 10.9. Wüstenstädte

Von Burgos nach Hontanas (30 km)
Gestern habe ich in der Herberge über das Internet meine Rückreise gebucht, am 29. September fliegt mich RyanAir nach Frankfurt am Main, das sollte in meinen Zeitplan passen, vor mir liegen nur noch etwa 500 km, mir bleiben also noch effektiv 19 Tage, jetzt, wo ich mein Tempo kenne.
Aufgrund meiner verletzten Sehne habe ich mir den Rat meiner Freundin zu Herzen genommen und mir heute keine große Strecke aufgehalst, nur 20 km, ihr seht bereits, dass ich das natürlich nicht einhalten konnte, der Weg treibt einen vorwärts. Ich konnte mich gestern nur mit Eric für heute um 6 Uhr vor der Kathedrale verabreden und hoffen, dass er und Judith dort auftauchen. Problematisch ist jetzt nur, dass die Herberge uns erst um 6 Uhr vor die Tür lässt, vorher sind die Pforten verschlossen, vermutlich aus Gründen der Sicherheit, Anne und Brenda warten ebenfalls ungeduldig auf Auslass.
Vor der Kathedrale erscheint Eric, gemütlich dahin laufend und nicht in Begleitung unser Kanadierin, Eric erzählt mir, dass sie früher aufgestanden ist und alleine laufen wollte, so wie ich sie kenne, ist sie dank ihrer Wanderstöcke bereits in Castrojeriz. Eric und ich kommen zu demselben Schluss und trennen uns noch in Burgos, in den Sternen steht, wann wir uns wieder sehen. Er läuft sehr langsam, ab und an ist das sein Tempo, besonders dann, wenn er sinniert und genießt. Ich muss auch langsam laufen, bin aber einen Tick schneller als Eric und versuche einen Weg aus Burgos hinaus zu finden. Die Beschilderung ist dürftig, einmal treffen wir zum Glück einen Mann, der hier wohnt, und können nach dem Weg fragen. Aber selbst danach wird es zur Schnipseljagd, aus den großen Städten hinaus zu kommen, ist unendlich schwieriger als sich bei Nacht durch die Wälder zu schlagen.
Auf einer Meseta
Einen Morgen für sich allein zu sein, hat etwas sehr beruhigendes, im Moment brauche ich keine Gesellschaft und bin lieber für mich. In jedem Café auf dem Weg sehe ich Pilger, die ihren morgendlich Koffeinpegel erneuern müssen, die lasse ich vorerst links liegen, auch wenn die Iren und ich uns freundlich zuwinken.
Bald werde ich überholt und bin wieder solo. So geht es mehrere Stunden weiter, bis ich nach einem harten Abstieg das Dorf Hornillas del Camino erreiche und mit den anderen, die schon vor mir angekommen sind, eine lange Pause einlege. Anne und Brenda prophezeien mir, dass sie völlig außer Puste sind und von jetzt an langsamer gehen werden, trotzdem rasen sie mir davon, als würde sie der Teufel treiben.
Hinter der Meseta: Hontanas
Es geht durch Sanbol hindurch, bis hierhin waren es die versprochenen 20 km und das wäre eigentlich das Ende für heute gewesen. Nur fühle ich mich nicht danach, meine Füße können mich gut und gerne noch weiter tragen und es geht ihnen nicht mehr so schlecht, wie vor zwei Tagen. Hinzu kommt, dass man Sanbol nicht einmal als einen wirklichen Ort bezeichnen kann, hier steht nur eine Hütte. Der Bewohner ist wahrscheinlich Clint Eastwood in seinen Westerntagen, denn die Gegend ist wie ausgestorben, es gibt kein Lebenszeichen. Hier gibt es aber eine Herberge, die jedoch kaum jemand besucht, trotzdem wird dieser Ort zumindest für eine Pause empfohlen und soll sehr gemütlich sein, Memo für das nächste Mal, denn ich will jetzt weiter.
Wir erklimmen unsere erste Meseta, das sind teuflische Biester. Wie der Ayers Rock stehen sie inmitten der flachen Einöde, es ist sowohl ein steiler Auf- als auch ein steiler Abstieg, oben sind diese Erhebungen flach wie ein Brett, leer wie eine Wüste und windig wie im Sturm. Damit betreten wir das Meseta-Plateau, wie das kastillische Hochland bezeichnet wird, statt einem einzigen tischflachen Berg; wie man sich ein kontinentales Plateau vielleicht vorstellt, ist die Meseta-Ebene in mehrere Mesetas untergliedert.
Thomas erzählte mir in Burgos, dass Hontanas nicht mehr als eine Geisterstadt wäre. Er ist diese Strecke im Winter schon einmal gelaufen und da ist es kein Wunder, dass dieser Ort wie leergefegt wirkte. Aber jetzt haben wir Spätsommer und Hontanas ist in Wahrheit sehr attraktiv, gerade weil es wie eine spanisch-amerikanische Wüstenstadt aussieht. Nachdem wir auf der Meseta ewig und vergeblich danach Ausschau gehalten haben, tauchte das Dorf plötzlich am windabgewandten Hang der Meseta auf.
Zum Abendessen konnte ich endlich wieder kochen, was auch die einzige Alternative zum Pilgermenü im Restaurant der Herberge ist. Ich habe alles, was ich besaß in den Topf gekippt. Für zwei Personen, Ruth und mich. Ruth schläft in meinem Schlafsaal, wir haben uns zuerst in Englisch unterhalten, bis sich herausgestellt hat, dass sie aus Würzburg kommt und wegen ihrer Arbeit nach Schottland gezogen ist, was sie dort macht, weiß ich allerdings nicht. Sie erinnert mich stark an meine Biologie-Lehrerin Frau Lenzner, sowohl im Aussehen als auch in der Stimme. Ich spendiere Nudeln und Soße, sie kümmert sich um Wein und Salat, gesättigt und kugelrund falle ich an diesem Abend in mein Bett und schlafe so ruhig wie ein Baby.
Jytte und ich verabschieden uns an diesem Abend, denn wir haben eine sehr unterschiedliche Geschwindigkeit und sie möchte es von jetzt an ruhig angehen. Wir wünschen uns für die kommenden Tage alles Gute und auch sonst noch ein frohes Leben, zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass es nicht nach einer Abschiedsfloskel, sondern nach Ernst klingt, und es ist nur zu ernst gemeint.

zurückgelegte Strecke: 318 km

Dienstag, 13. Dezember 2011

Tag 11 9.9. Ein Tag Pause in Burgos

Südseite der Kathedrale
Wir nehmen uns einen Tag frei, so war es abgemacht, Burgos als größte Stadt auf dem Camino francés eignet sich wunderbar dafür. Das heißt, dass wir heute Morgen ausschlafen können, es ist geradezu ein Luxus nicht den Wecker auf 5 Uhr stellen zu müssen. Aber um 7 Uhr erwachen wir auch, erstmal wird es langsam hell und sowieso sind die meisten Pilger wach und machen einen Höllenlärm, ganz so, als würde ohnehin niemand mehr schlafen.
Jans Rat nehme ich mir augenblicklich zu Herzen und fange an meine linke Schienbeinsehne zu massieren, permanent in Auf- und Abbewegungen, das geht die nächste Stunde so. Neben meinem Bett schläft eine Gruppe von Radpilgern, die sich nicht einmal einen Wecker stellen. Warum auch, mit dem Rad sind sie schneller unterwegs und klappern eher die Herbergen ab, anders als wir Fußpilger. Dazu kommt auch noch, dass es am Morgen für sie viel zu dunkel ist. Das Prinzip „gesehen werden“ findet nur selten Anwendung, denn die Wege liegen oft abseits der Autorouten, es ist nur viel zu finster, um irgendetwas bei der Geschwindigkeit eines fahrendes Rades erkennen zu können. Dafür radeln die jedoch auch bis zum Abend, da die meisten Herbergen erst zu später Stunde Radpilger aufnehmen, Wanderer genießen hierbei mehr Priorität.
Um 8 Uhr müssen wir die Herberge verlassen, der Besenwagen in Gestalt des Rezeptionisten zieht durch die Stockwerke und zitiert uns auf Spanisch hinaus. Die Sonne geht just in diesem Moment auf und taucht die Kathedrale, die gleich neben der Herberge liegt, in ihr gelbes Licht. Judith zieht los, um sich einen Kaffee zu ergattern, Eric ignoriert den Besenwagen und gönnt sich eine morgendliche Dusche. Ich mache mich vor der Kathedrale breit und genieße mein Frühstück im Sonnenaufgang. Jan kommt vorbei und möchte in der Kirche noch rasch ein Stoßgebet zum Himmel schicken, bevor er weiterläuft. Bei dieser Gelegenheit betrete ich zum ersten Mal das Kirchenhaus, es ist ungelogen ein gewaltiger Bau, das lässt sich von außen schon erahnen, nur von innen sieht es um mehrere Dimensionen größer aus. Ich stehe im Vorschiff und komme von hier leider nicht in das Hauptschiff, dazu muss ich durch einen anderen Eingang gehen, der um diese Uhrzeit noch verschlossen ist.
Jakob als Matamoros
Gemäß der spanischen Kultur öffnen die Geschäfte erst 9:45 Uhr oder auch später, je nach Lust und Laune des Besitzers, die Apothekerin lässt sich alle Zeit der Welt, aber in Eile sind wir schließlich auch nicht. Die ruhige Art der Spanier kann manchmal ansteckend sein. Mein Voltaren und einen Verband habe ich jetzt, das Zeug tut hoffentlich seinen Dienst. Mit den Badelatschen an meinen Füßen und den Schuhen an meinem Rucksack festgezurrt, mache ich mich auf die Suche nach einer neuen Herberge. Diese Regel ist zu unserem Unglück aufgestellt worden: man darf nicht mehr als eine Nacht in der gleichen Herberge bleiben, es sei denn durch Krankheit oder höhere Gewalt. Womöglich soll so den lässigen Pilgern vorgebeugt werden, andererseits ist es logistisch durchaus nachvollziehbar, denn in der Saison sind die Herbergen auch mit stetig neuen Pilgern stets voll bis unters Dach, da ist allgemein kein Platz für Trödler.
In Burgos gibt es offiziell zwei Herbergen, die eine ist die städtische von letzter Nacht, die zweite liegt davon nicht weit entfernt an einem hübschen Platz, die Existenz der dritten Herberge scheint nicht bestätigt, jeder sagt etwas anderes, gesehen habe ich sie nie, sie soll aber weit außerhalb der Altstadt liegen. Die Herbergen werfen morgens ihre Gäste hinaus, putzen einmal durch und öffnen frühestens zur Mittagszeit, so auch jene, die ich mir nun ausgesucht habe. Davor sammeln sich bereits die Iren Micheal und Louis, Eva, die ich in Grañon kennen gelernt habe, kommt kurz vorbei. Sie hat die Stadt gerade betreten und ergattert sich einen Platz in der städtischen. Unsere ist privat geführt und zählt an die 16 Betten. Der Besitzer verweigert mir jedoch den Eintritt. Michael, Louis und eine andere Pilgerin kamen ebenfalls gestern nach Burgos und setzen heute einen Tag aus. Bei den dreien hat der Besitzer noch ein Auge zugedrückt, als er allerdings meinen gestrigen Stempel sieht, fährt er aus der Haut und bombardiert mich auf Spanisch. Ich verstehe kein Wort, sein Kopfschütteln und sein Affekt sagen mir genug, dass hier für mich nichts zu holen ist. Eine Pilgerin kann ihn jedoch verstehen und übersetzt mir ins Englische, dass es eine Schande sei, nicht zu laufen, obwohl man doch auf Pilgerschaft sei. Er nimmt generell nur Pilger auf, die mindestens zehn Kilometer nach Burgos gelaufen sind. Falls ich am Ende des Abends keine Unterkunft finde, wäre er eventuell bereit, mir einen Platz auf dem Fußboden anzubieten. Betrübt ziehe ich von dannen. Vor der Herberge treffe ich Eric, der mit Judith in einem Hotel untergekommen ist. Ganz ohne Bett bleibt man natürlich nicht, im Ernstfall gehe ich ins Hotel, nur passt das nicht in meine Finanzen und würde mitunter das Geld für zwei Tage verschlingen und so früh auf der Reise will ich nicht an meine Reserven treten. Wir werden sehen.
Brenda, Ich, Udo, Bill, Anne, Harry, Nicolien





Ich gehe zurück zur städtischen Herberge, um dort mein Glück zu versuchen, und ein wahres Glück treffe ich dort auch wirklich. In der langen Schlange, die bis auf die Straße reicht, stehen Harry und Bill, just in diesem Moment kommen Anne und Brenda aus der Richtung der Kathedrale und rufen mir fröhlich zu. Die Freude des Wiedersehens ist groß, ich dachte mir schon, dass die beiden einen Tag hinter mir sind, aber ich hätte nie damit gerechnet sie jemals wiederzusehen. Nachdem sich beide einquartiert haben, bin ich an der Reihe. Gott sei Dank erwische ich die Frau an der Rezeption und nicht den Kerl, denn der hätte mich ganz bestimmt nicht noch einmal hinein gelassen. Die Frau war auch erst skeptisch, dann machte ich ihr die Lage mit meinem Fuß deutlich. Das muss natürlich nichts bedeuten, ich könnte schließlich auch das Blaue vom Himmel erzählen, aber die Tatsache, dass ich in der privaten Herberge keinen Platz bekommen habe, stimmt sie um und sie gewährt mir gnädig eine weitere Nacht.
Wir befinden uns mitten in der Siesta, da hat nichts offen und obwohl ich heute nur ein wenig durch die Stadt gelaufen bin, brauche ich meine eigene Siesta. Dieser Rhythmus hat sich in den letzten Tagen durchgesetzt, nach der Tagesetappe, dem Duschen und Wäsche waschen, wurde eine Mittagsruhe eingelegt, im besten Fall schläft man 20 Minuten und ist danach wie neugeboren.
Anne, Bill und Brenda haben Spaß
Im Anschluss an meine Wiedergeburt besichtige ich endlich die Altstadt, im großen Park, der sich am Fluss entlang zieht, schreibe ich meine Postkarten und Briefe, werde jedoch bald von den Fliegen vertrieben. Es wird Zeit für de Kathedrale. Eine gewöhnliche Kirche ist es nicht mehr, zumindest der Hauptteil ist mittlerweile zu einem Museum umfunktioniert worden. Drinnen ist es schier gewaltig, man könnte alle kirchlichen Kunstwerke auf einen Haufen werfen und würde damit wahrscheinlich noch immer nicht an das Pensum der Kathedrale von Burgos herankommen. Jede Ecke, jede noch so kleine Winzigkeit, ist verziert, verschnörkelt, ausgearbeitet und jede Aussparung mit Bildhauereien versehen worden. Entlang des Hauptschiffes finden sich mehrere kleine Kapellen, zu Ehren der christlichen Heiligen, gewidmet den längst toten spanischen Adligen, die es wohl gestiftet haben. Und dann gibt es noch die großen Kapellen, die aber eher die Größe von normalen Kirchen haben und als Gotteshäuser im Kleid von Nebengebäuden für die Gläubigen offen stehen. So viel Gold und Silber an einem Platz habe ich das letzte Mal in der Altstadt von Dubrovnik (Kroatien) gesehen, als uns der Bischofsschatz gezeigt wurde. Der touristische Andrang ist groß, die Nischen sind mit steinernen Sarkophagen wichtiger Personen der Christenheit gefüllt. Ebenso gut hätte man den Leichnam von Jesu Christi ausstellen können, es hätte nichts an diesem pompösen Ambiente geändert.
Burgos muss einst eine überaus reiche Stadt gewesen sein, wenn sie sich solch ein prunkvolles und gewaltiges Bauwerk leisten konnte.
Gegen Abend lädt uns Bill zum Essen ein, denn morgen fliegt er wieder heim, es war von Anfang an sein Ziel nur bis Burgos zu laufen. Neu in der Runde sind Nicolien aus den Niederlanden sowie Thomas und Udo aus Deutschland. Es ist eigentlich unbeschreiblich wie schön es ist, mit all diesen Wanderern aus verschiedenen Ländern an einem Tisch zu sitzen, zum Verständnis aller sprechen wir fast nur Englisch. Genau aus diesem Grund meide ich die Deutschen (von Thomas, Udo und sehr wenigen anderen einmal abgesehen), man findet sie häufig in großen Gruppen und auf Deutsch nörgelnd. So habe ich es bisher bei jedem Sommerurlaub erlebt, am Anfang der Reise glaubt man der einzige Deutsche im Hotel zu sein und nach einer Woche hat sich schon eine große Traube gebildet, die wie eine Klette aneinander hängt. Da hab ich es doch lieber bunt durchmischt, so macht es am Meisten Spaß.
Dort, wo wir sitzen, ist es mit einem Mal sehr laut geworden. Zum einen gibt die Kathedrale ein 15-minütiges Glockenspiel zum Besten, zum anderen findet vor der Kathedrale ein Theaterstück lärmigster Güte statt.
Nachdem wir das Weingelage beendet haben und recht müde sind, trennen wir uns vor einem Pub, Bill weigert sich den Abend nicht mit mindestens einem Guinness zu beenden, die Iren sind allesamt dabei, wer hätte das gedacht.

Der Matamoros ist ein beliebtes Motiv für spanische Kunstwerke. Diesen Beinamen erhielt der Apostel Jakob der Ältere, dessen Gebeine in der Kathedrale von Santiago liegen und wegen dem wir auch überhaupt erst den Camino laufen. Jakob ist in Spanien zum Nationalhelden avanciert, die Könige, die vor und während der Reconquista gegen die Mauren oder andere Nicht-Christen zu kämpfen hatten, führten den Sieg stets auf den Heiligen zurück. Die Entdeckung seines Grabes gab der christlichen Pilgerschaft einen ordentlichen Schub und begünstigte natürlich den Krieg gegen die Araber. So gesehen half Jakob dabei, die iberische Halbinsel von den Mauren zu "befreien", gerade so, als wäre er selbst in der Schlacht zugegen gewesen und hätte alles "Böse" niedergemetzelt. Eigens dafür stellt man den Matamoros stets auf einem Pferd mit einem Schwert in der Hand dar, unter den Pferdehufen liegen die sterbenden Araber.
Man merkt, im katholischen Spanien hat makabere Kunst durchaus ihren Platz, nicht in Nischen, sondern groß, golden und für alle zu sehen.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Tag 10 8.9. Dominanz

Von Villafranca nach Burgos (37 km)
Ich möchte es gleich vorab erwähnen, wir wollten an diesem Tag nicht nach Burgos, sondern kurz davor Halt machen.
Eric hat uns gestern eröffnet, dass er zwar gerne mit uns läuft, aber genauso gut weiß, dass wir nicht immer das gleiche Tempo haben. Sobald Judith ihre Stöcker in die Hand nimmt, rennt sie uns beiden davon. Eric beschaut lieber die wunderschönen Landschaften und geht frei heraus, nicht einmal mit einem Plan für den Abend. Ich habe mein eigenes Tempo und sauge die Natur in vollen Zügen auf, wenn ich laufe, einen Plan, wo ich schlafen werde, habe ich trotzdem gerne.
Deshalb geht Eric heute langsamer, ich denke, er braucht jetzt diese Einsamkeit, jeder braucht sie für sich selbst auf dem Camino. Andernfalls kommt man nie zum Nachdenken.
Als er uns das erzählt, oder besser gesagt erzählt er das Judith auf Französisch, seltsamerweise verstehe ich, was er sagt, geht die Sonne gerade auf. Nachdem wir erst durch eine kalte Nacht gelaufen sind, gingen wir danach durch einen dichten Wald, in dem es dagegen sehr warm wurde. Jetzt stehen wir zwischen dem Wald und der Autobahn, über den Bäumen sind in weiter Ferne Windräder zu erkennen und eben die rote, aufgehende Sonne.
Judith und ich gehen weiter, mehr und mehr versetzt, jeder von uns benötigt scheinbar seine Ruhe. Der Wald, den wir jetzt durchlaufen, erinnert mich stark an Brandenburg. Der Boden ist genauso mit hellem Sand bedeckt und mit hohen, nadeligen Bäumen ausgestattet wie in der tiefsten Mark. Als wir aus den Alpen zurück nach Berlin gefahren sind, habe ich gegen Ende der Fahrt geschlafen und als ich aufgewacht bin, war mir sofort klar, dass wir in Brandenburg sind, manchmal erkennt man es an der typischen Vegetation.
Spaniens Brandenburg
Nach drei Stunden kommen wir in St. Juan an und verdrücken uns in die erstbeste Bar, um die knurrenden Mägen zu beruhigen. Eigentlich dachten wir, dass wir noch zwei Stunden vor uns haben. Den Kirchturm am Horizont hielten wir für eine Einsiedelei, die wir hätten passieren müssen. Zum Glück war dem nicht so.
Wie sich herausstellt, ist Judith ein großer Fan der Buchreihe, die meine Kindheit geprägt hat: Harry Potter. Und als wäre das noch nicht genug, ist sie genauso von “Der Herr der Ringe" begeistert, daraus ergibt sich eine Menge Gesprächsstoff und die beiden Themen beschäftigen uns fast den ganzen Tag. Wie sich auch herausstellt ist Judith einst katholisch erzogen worden und immer noch religiös geprägt, auch wenn das nicht ihre Motivation für die Reise ist. Sie glaubt an Gott oder eine Form von Gott, allerdings nicht in der Form, wie es die katholische Kirche berichtet, sondern eher auf eigene Art. Damit steht sie gewiss nicht alleine, meine ehemalige Lektorin, die zum Evangelischen zählt, glaubt weniger an das, was ihr die Kirche erzählt, deshalb lässt sie auch gut und gerne mal das Amen nach dem Gebet aus. Judith und ich sind uns einig: die Kirche scheint längst nicht mehr das zu sein, was sie einmal war. Aus der ursprünglich jüdischen Bewegung (was manche Christen kategorisch übersehen) ist ein unterdrückter Glaube entstanden, der eben anders als die anderen Religionen wie das damals korrupt regierte Judentum und götzenartige Heidentum war. Die durch die Oberen angeordneten Vorschriften wurden nicht mehr hingenommen, es entwickelte sich eine Nischenreligion, vehement von ihren Gegnern verfolgt. Bildhaft in Szene gesetzt wird dies vor allem bei Monumentalfilmen wie „Ben Hur“ oder „Quo Vadis?“. Aber als das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich wurde, änderte sich die Lage. Jeder Papst wurde der Nachfolger des in Rom gekreuzigten Apostels Petrus, er verstand sich also als der direkte Draht zu Jesus, der den Menschen Heil und Segen bescherte. Wer dem nicht folgte, lästerte den Christengott, der an dieser Stelle so verschieden vom Judengott ist, wie sich Schwarz und Weiß nicht gleichen. Die Juden wurden unter den Römern verfolgt, nun werden sie unter den Christen verfolgt. Die Muslime besetzen das Heilige Land, die Christen rufen zum Kreuzzug und metzeln alles nieder und ein Jahrtausend später wundern sie sich, wenn Bomben in ihren Städten explodieren. Kurzum, die Kirche hat ihre Macht aufs Schärfste missbraucht und ist zu einer Institution herangewachsen, die, man könnte sagen, ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgt, wie es eine Firma tut. Irgendwo muss schließlich Geld herkommen. Was tut sich hier beim Glauben? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei mir hat der Glaube nie gezündet, Atheist bin ich nicht, aber eben auch nicht gläubig, in Bezug auf den Fragebogen aus Roncesvalles bin ich konfessionslos und das reicht mir. Judith ist christlich, auf ihre eigene Art. Bezeichnender Weise hat sie sich mit dem Protestantismus beschäftigt und findet dort mehr Gemeinsamkeiten zu ihrer Persönlichkeit und ihrem Denken als sie es im Katholizismus tut. Wie sie sagt, sind wir, also die Menschen, von der Religion abgekommen. Um es in der ursprünglich englischen Fassung zu sagen, mit einem kleinen Wortspiel, dass mir sehr gefällt: „we got(d) out of religion“.
An dieser Stelle laufen wir wieder versetzt, ich muss mein Tempo verlangsamen, denn die Sehne meldet sich wieder. Vor uns liegt Atapuerca, wo ich meinen linken Schuh aufbinde und nur noch durch die unteren Schnürsenkel wieder schließe, so hoffe ich den Druck auf meine Sehne zu verringern. Atapuerca hat nicht viel außer einer nennenswerten Geschichte zu bieten. Durch den Bau einer Eisenbahnlinie sind über 800000 Jahre alte Gesteinsschichten angeschnitten worden, in denen Archäologen Überreste von menschlichen Knochen gefunden haben. Diese wurden auf eben jene Zeit datiert und zählen zu den ältesten menschlichen Überresten in Europa, der Menschentyp erhielt den Namen Homo antecessor, „Vorgänger“. Von wem stammen wir nun ab? Vom afrikanischen Homo sapiens oder dem europäischen Homo neanderthalis, der ja wiederum auf den Atapuerca-Menschen zurückgeht? Oder sind wir ein Mischling? Vielleicht kommen wir ja alle aus Atapuerca. Dem zu Ehren wurde über der Ausgrabungsstätte ein archäologisches Museum errichtet, es liegt jedoch abseits des Weges und würde uns vieler Stunden berauben, deshalb haben wir dafür leider keine Zeit. Beim Verlassen des Dorfes laufen wir an einer Einheit des spanischen Militärs vorbei, der Zugführer trägt eine deutsche Uniform oder um genau zu sein, hat er die deutsche Flagge auf seine Schultern gestickt, da lässt sich doch vermuten, dass er Deutscher ist. Die Soldaten sind mit Marschgepäck ausgerüstet, bewaffnet und überholen uns beim Aufstieg, die müssen ordentlich schwitzen in ihren Uniformen. Der Berg, den wir erklimmen ist leider viel zu klein, ich hab einen Narren gefressen an den trockenen Bäumen und dem dürren Boden, dessen scharfe Steine bereits heraus gewittert sind. Diese Szene dauert mir zu kurz an, es ist als müsste man einen Hindernisparkour laufen. Oben auf dem Gipfel finden wir Eric, der sich verschnaufend auf einen Felsblock gesetzt hat. Vor hier aus kann man Burgos schon sehen, es sieht nicht einmal sehr weit aus und es ist erst ein Uhr nachmittags. Eigentlich wollen wir heute nicht nach Burgos, das erscheint uns zu weit, stattdessen zielen wir auf ein Dorf kurz davor, dass sich irgendwo schräg zu unserer Linken befindet. Aber Judith kommentiert das folgendermaßen: „Es ist, als würde man vor der Torte sitzen und sie nicht essen“, da stimmen wir ihr beide zu. Also nach Burgos, nur nicht die Jakobsroute entlang, denn die macht einen Schlenker nach Süden, wir laufen zwischen den Feldern und kürzen damit ein wenig ab. Dieser Weg ist nur nicht ausgeschildert, wir müssen das eine oder andere Mal jemanden nach dem Weg fragen und die Spanier zeigen sich alles andere als begeistert, dass wir den Camino verlassen haben. Trotzdem wird uns geholfen. Burgos ist weiter weg, als wir dachten, durch die Nachmitagshitze und unseren angeschlagenen Füßen brauchen wir beinahe ewig, Judith und Eric laufen weit vorne weg.
Vorerst quartieren wir uns in einem Diner ein, wo wir eine sehr lange Pause einlegen, hier gibt es kostenloses Internet, es ist jedoch hoffnungslos langsam. Eric weigert sich um vier weiterzugehen, er will uns später folgen, wir nehmen zu zweit die letzten sechs Kilometer auf uns. Mein Reiseführer schreibt, dass Burgos komplett überschätzt wird, sollte man sich durch die industrielle Vorstadt nähern, genau das tun wir, die Straße ist lang, schnurgerade und Schatten gibt es nicht.
Um 5 Uhr erreichen wir die städtische Herberge, die ist riesig groß, aber wen wundert das, denn es gibt kaum Alternativen in Burgos. Ich glaube hier kommen 200 Pilger unter, an der Rezeption bezahlt man 4 € und bekommt ein Bett zugewiesen und weil das Gebäude für eine Herberge sehr hoch ist, hat man einen Fahrstuhl gebaut, um die sechs Etagen zu versorgen, wir schlafen quasi unter dem Dach.
Um noch ein wenig Burgos zu besichtigen, verlasse ich die Herberge, irgendwo über mir höre ich jedoch eine Gitarre, das zieht mich magisch an und ich folge der Musik bis in den Nebeneingang, wo ich plötzlich Eric finde. Er schickt mich auf den Balkon, dort sitzen zwei Pilger, einer mit Gitarre, eine mit einer kleinen Harfe und spielen irische Volkslieder. Wie sich herausstellt verdienen sie sich auf die Art das Geld, um sich auf der Reise über Wasser zu halten. Unter den Zuschauern ist auch Jan aus Larrasoaña, ich hatte gewettet, dass wir uns nie wieder sehen. Die Gelegenheit packe ich beim Schopf und frage ihn um Rat wegen meines Fußes.
Erstens: schnüre seine Schuhe nicht bis oben hin zu, dein Bein braucht Platz und darf nicht eingedrückt werden“, erklärt er mir.
Zweitens: massiere deine Sehne so oft du kannst, streiche rauf und runter, das regt die Blutzirkulation an und hat mir meine Achillessehne gerettet. Drittens: schmier dir Voltaren rauf“ und er zückt eine Tube davon aus seiner Tasche, notiert mir den Namen und gibt mir die erste Ladung gratis. „Viertens: geh langsamer, wenn du es nicht behandelts, bekommst du eine Sehnenscheidentzündung.“
Und warum ist es ausgerechnet der linke Fuß?“, frage ich.
Das ist anscheinend dein dominanter Fuß, jeder Mensch hat einen, genauso wie du eine dominante Hand hast, mit der du schreibst. Mit deinem dominanten linken Fuß verrichtest du mehr Arbeit als mit dem Rechten. Deshalb laufen Menschen auch im Kreis, wenn man sie alleine in der Wüste aussetzt. Viel interessanter ist es dann, wenn man zwei Menschen mit unterschiedlich dominanten Füßen nebeneinander durch die Wüste schickt. Beide würden sich ergänzen und strikt geradeaus laufen.“
Die Apotheken haben leider schon geschlossen, aber morgen ist auch noch ein Tag, für’s erste bin ich mit guten Ratschlägen versorgt. Mein Sightseeing ist beendet bevor es überhaupt begonnen hat. Wir drei sind hundemüde und fallen früh ins Bett.

zurückgelegte Strecke: 288 km 

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Tag 9 7.9. Das Dinner

Von Grañon nach Villafranca (28 km)
Obwohl mir Eric gestern eine Fußmassage gegeben hat, sind die Schmerzen an der Sehne nicht verschwunden. Zum Glück haben wir für die Nacht Decken bekommen, es wurde sehr kalt draußen. Decken bekommt man nicht in jeder Herberge, prinzipiell braucht man sie im September auch nicht, nur leider ist das Wetter oft unberechenbar. Die Kirchenglocke läutet tagsüber alle fünfzehn Minuten, nachts kenne ich den Zyklus nicht und weil wir direkt unter dem Kirchturm schlafen, haben wir schlimmes befürchtet, aber des nachts steigt die Kirche auf eine kleinere, leise Glocke um.
Wer bis hierhin noch nicht glaubt, dass Frühaufstehen in jeder Hinsicht lohnenswert ist, der sei durch den üppigen Sternenhimmel bekehrt, der uns am Morgen begleitet. Leider haben wir nach wenigen Stunden die Grenze von Rioja überschritten, vorbei ist es mit dem Rioja-Wein.
Klischeehaft wie in einem US-amerikanischen Film der 80erJahre frühstücken in einer Schnellstraßenraststätte, während uns Judith über ihr Leben in Kanada aufklärt. Als wir uns das erste Mal in Villamajor trafen, habe ich sie auf Ende zwanzig geschätzt, tatsächlich ist sie 39, sie wird aber oft für jünger gehalten. Zu Hause in Quebec hat sie ihren Mann Jean-Luc und ihre Kinder Charles und Didier, beide 11 Jahre alt. Achja, falls du das hier jemals liest Judith, entschuldige, dass ich so aus dem Nähkästchen plaudere.
Jean-Luc's Beruf hat für mich keinen richtigen Namen, aber er kontrolliert und begutachtet Schweißarbeiten im ganzen Land, z.B. mit Röntgenstrahlung, hochfluide Substanzen und was weiß der Teufel noch alles. Seine Arbeit führt ihn durch ganz Kanada, Ende September fährt er nach Inuvik, dort wo auch die großen Ice-Trucks entlangfahren.
Charles und Didier gehen beide noch zur Grundschule und starten bald in die Oberschule. Judith hat also drei Jungs in ihrem Heim und meistert scheinbar alles mit einer bewundernswerten  Geduld. Für alles hat sie einen Plan, sei es, um die Kinder von der Schule abzuholen oder zum Sportverein zu fahren, die Zeit muss optimal eingeteilt werden, damit auch das Abendessen nicht anbrennt und noch genug da ist, wenn Jean-Lucs 21-jähriger Sohn unangemeldet zum Essen vorbeikommt. Es ist demnach nicht vorteilhaft sie aus dem Konzept zu bringen, trotzdem ist stets spontan genug für alle Eventualitäten. Sie hat einmal als Französischlehrerin  gearbeitet und den Job nur ein wenig geändert, jetzt unterrichtet sie Lehrer an der Universität in neuen Lehrmethoden und wie sie ihre eigenen verbessern können.
Nach der Stärkung pausieren wir Stunden später in Belorado. Am Ortseingang laufen wir an einem steilen Erdhang vorbei, aus dem kleine Steinchen herausschauen. Judith greift sich einen, hält ihn mir unter die Nase und fragt: "Christian, du bist Geologe, was ist das für ein Stein?" Damit reiht sich Judith in die Reihe vieler Menschen ein und meine Kommilitonen werden mir zustimmen, dass sie diese Frage ebenso oft gehört haben. Die Frage ist rasch beantwortet, das Gestein ist weiß, schimmernd, faserig und mit dem Fingernagel ritzbar. Mehr kann ich dazu auf einer Pilgerschaft nicht sagen, es ist ein Gips, ganz schlicht.
Das Hotelfoyer
Während die beiden im Park von Belorado flanieren, kaufe ich Milkaschokolade im Supermarkt und gebe sie aus. Als Franzose ist Eric mit dem tollen Geschmack bestens vertraut, Judith kannte bisher nur die übel schmeckende nordamerikanische Schokolade, ihre Augen weiten sich vor Glück und Zufriedenheit, sobald sie den ersten Bissen verarbeitet. Ich habe sie damit wohl abhängig gemacht, denn sie schwört von jetzt an nur noch Milka zu kaufen (was sie bis Santiago auch tatsächlich getan hat, sie macht mir bald Konkurrenz) und ihre Kinder nicht mehr mit amerikanischer Schokolade zu verfüttern.
Als wir weitergehen, wird es beinahe unerträglich heiß, aber, und das gilt tagein tagaus, man muss weitergehen, vom Stehenbleiben bekommen wir keinen Schlafplatz. Manchmal ist es sogar so, dass die Herbergen eine bestimmte Kilometerzahl voraussetzen, die man an diesem Tag gegangen sein muss. Diese liegt dann zwischen 12 und 15 Kilometern. Wegen der Hitze und Judith's beginnenden Fußproblemen machen wir viele Pausen, als Eric und ich Wasser holen, verulkt er die spanischen Dörfler mit der Geschichte, dass wir drei aus Finnland kommen und den ganzen Weg bis hierher gelaufen sind und am Ende auch wieder zurück marschieren wollen. Eric hat in den letzten Tagen ein gutes Spanisch erlernt und weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es wirklich zwei finnische Wanderer auf dem Weg geben soll, die diese volle Strecke zu Fuß zurück gelegt haben. Das ist aber nur Hörensagen.
Der Speisesaal...
Schließlich gelangen wir nach Villafranca, die erste Herberge, die wir ursprünglich beziehen wollten, wird uns von Jytte und Susanne ausgeschlagen. Stattdessen kommen wir in einer privaten unter, die zu einem schicken Hotel gehört, trotzdem sind die Betten wackelig. Michael, Louis, das australische und das schwedische Pärchen haben sich ebenfalls hierher verirrt. Der Ort scheint ganz nett zu sein, einziges Manko ist die Straße, die alle paar Sekunden von Lastwagen befahren und deshalb besser nicht überquert wird.
Um 7 Uhr abends gab es ein fantastisches Dinner im Hotelrestaurant. Auf dem Camino hat man drei Möglichkeiten. Erstens, man kocht, das geht allerdings nicht immer, denn die Herbergen betreiben oft Vetternwirtschaft mit den ansässigen Bars, die Pilger sollen schließlich Geld ausgeben, deshalb gibt es nur selten eine Küche, diese Variante ist die wohl billigste. Zweitens, man versorgt sich aus dem Supermarkt, entweder schleppt man das Essen die ganze Zeit mit sich herum, so wie ich es mache, oder man kauft es sich jeden Abend neu, das lohnt sich besonders, wenn es mehrere sind und man gemeinsam ein Bankett errichtet. Drittens kann man abends in ein Restaurant geben, dafür ist meistens gesorgt, es gibt nur wenige Herbergen, die völlig abseits der Nahrungskette liegen.
...und meine Pilgerfreunde
In den Restaurants wird standardmäßig das Pilgermenü für zehn bis zwölf Euro serviert, man hat eine breite Auswahl an Fisch, Steak, Hühnchen und einigem mehr als Hauptgang, die Beilage ist so gut wie immer Pommes, selten auch einmal Reis. Für spanische Verhältnisse auf dieser Reise ist es viel Geld für wenig, dieses Mal gönnen wir es wir uns und erleben das beste Pilgermenü des Weges, zusammen mit einem ausgezeichneten Wein, der sogar kostenfrei nachgeschenkt wird, ebenso wie es kostenfrei mehr und mehr Brot gibt. Eric und Judith haben die Zeit genutzt und mir Löcher in den Bauch über das Studentenleben gefragt und wie sich das Bachelor-Master-System in Deutschland macht. Leider habe ich keinen Vergleich zum Diplom, außer, was mir erzählt wird. Prickelnd ist der Bachelor ja nicht gerade, ab und an fühlt man sich wie in der Schule, wo man von Stunde zu Stunde hetzt, für das richtige Studieren ist eigentlich kaum die Zeit vorhanden, in drei Jahren möchte man bitte seinen Abschluss gemacht haben, am besten hoch qualifiziert. Nun wird versucht, das alles unter einen Hut zu bekommen, Praktika zu machen, interessante und lehrreiche Kurse zu besuchen und sich keine Sorgen über einen nicht garantierten Masterplatz zu machen. Manchmal ist es wie Massentierhaltung, im jetzigen ersten Semester studieren an die 120 Geologen, wer betreut die?
Genug des Pamphlets, zurück nach Spanien. In der Kurzfassung: das Essen war fantastisch, die Herberge ein Geheimtipp und die Nacht angenehm ruhig, deswegen habe ich auch wieder verschlafen.

zurückgelegte Strecke: 251 km